Wer sucht, der findet...

Samstag, 16. Januar 2016

Kapitel 4; Hölle

Die Zeit, die Pan in Untersuchungshaft verbrachte war unerträglich. Nachts wurde Pan in die kalte, dunkle, stinkende Zelle gesperrt. Zitternd und in eine Ecke gekauert wartete er die ganze Nacht ab. Er wurde wie ein Schwerverbrecher behandelt und doch war er nur ein Kind. Dann wurde er Verhört. Jeden einzelnen Tag. Sie wollten ihn brechen, ihn dazu zwingen, seine Leute zu verraten. Doch Pan würde niemals aufgeben.




Er versuchte diese Art der Folter auszuhalten, bis zu jenem Tag, an dem Pan sich gezwungen sah zu handeln, um sich selbst zu retten. Koste es was es wolle, dachte er sich während er fieberhaft nach einem Ausweg suchte. Sie befanden sich in dem stikigen, kleinen Kellerraum, als sich der Beamte, Ward Preston, eine Zigarette anzündete, genüsslich daran zog und dabei den Jungen vor sich betrachtete. Pan wartete. Er saß still da und ertrug den Blick des Mannes vor ihm.

Dann löste sich der Polizist plötzlich aus seiner Erstarrung, so abrupt, dass Pan kaum merklich zusammenzuckte. Sein Herz schlug nun schneller, darauf gefasst, was ihn jetzt erwarten würde. Die Hand, in der Ward Preston die Zigarette hielt, nähere sich langsam, fast unabsichtlich Pans Arm, der auf dem Tisch lag. Und dann wurde Pan klar, dass er sich die nächsten Minuten in höllischem Schmerz winden würde... Er schluckte. Nein. Ward Preston würde ihn nicht zum aufgeben zwingen, selbst wenn er ihn folterte. Pan würde keinen Schmerz zeigen. Er fixierte die Augen seines Gegenübers, konzentrierte sich auf das kalte Grau, das so sehr einem Meer an einem stürmischen Tag glich. Dann vernahm der Junge von weit her Meeresrauschen, ein vergangenes Bild schob sich vor sein Bewusstsein und er erinnerte sich.


***

"Hey du Lusche! Komm auch rein, so kalt ist das Wasser gar nicht!", schrie Danyel, seine Stimme kaum auszumachen. Die Entfernung und das sausen des Windes, machten es Pan nicht einfach, seinen Bruder zu verstehen. Er stand in Badehosen und mit seinen Zehen im kühlen Sand vergraben am Strand und blickte in die Weite des Meeres. Ein Sturm würde aufziehen. In sicherem Abstand zu den großen Wellen, die im Sand brachen, konnte er die aufziehenden Gewitterwolken sehen. Der Sommer war bereits über das Land gezogen und verblasste langsam. Der Herbst würde kommen und der Winter würde kommen und würde vielleicht etwas Schnee mit sich bringen. Doch das war Pan egal. Er genoss es, das Hier und Jetzt. Er konnte spüren, wie der den Wind sanft an seiner Haut vorbeistrich. Pan beobachtete den dunklen Schopf  Danyels, der im Wasser verschwand und wieder auftauchte. Sein Blick schweifte wieder ab, er suchte den Horizont, den Punkt, an dem der graue Himmel, das noch grauere Meer berührte. Dann fand der Moment ein Ende und Pan rannte und sprang in das einkalte Wasser, er folgte den Rufen seines Bruders.

***

Ward Preston näherte dem Arm des Jungen das brennende Ende seiner Zigarette. Er sah, wie die Hitze die feinen Härchen auf Pans Haut versengte. Dann hatte er die perfekte Stelle gefunden und drückte sanft und vorsichtig die Glut auf die weiche Stelle. Hätte Ward Preston, der mit der Zigarette beschäftig war dem Jungen in diesem Moment in die Augen geblickt, so hätte er gesehen, wie die leuchend blauen Augen ihren Fokus verloren hatten und vor ihm kaum mehr als eine leere Hülle saß, deren Geist sich tief in der Vergangenheit befand. Doch ein Mann wie Ward achtete nicht auf solche Einzelheiten. Viel mehr war er mit seiner eigens für sein Opfer ausgewählten, perfekten Folter beschäfigt. Also drückte er den brennenden Stummel auf die Haut, verstärkte den Druck langsam, drehte die Zigarette, bis sie in der Mitte einknickte und sich überall um den ausgewählten Fleck herum, blutige Asche verteilte.

Doch Ward stutzete, sein Lächeln tröpfelte ihm vom Gesicht, als die erwartete Reaktion des Jungen ausblieb. Pan hatte ihm weder seinen Arm entzogen, noch mit einer Wimper gezuckt. Ward blinzelte, seine Handgriffe wurden fahrig, als er die Hand der Jungen packte und auf der Haut des Jungen die Zigarette zu Staub verarbeitete. Zurück blieb eine größe, blutige vor Asche stockende Wunde. Noch immer reagierte der Jugendliche vor ihm nicht und Ward verstand, dass er er wahrscheinlich niemals shaffen würde, diesen Willen, der so unglaublich stark war, zu brechen.

Dann wurde er wütend. Dieser freche Bengel würde nicht ungeschoren davonkommen, selbst wenn er keinen Schmerz empfinden konnte. Konnte er nicht? Heiße Wut kochte in Ward Preston hoch. Er würde ihm beibringen, was Schmerzen bedeuteten. Bebend stand der Polizist auf, schlug mit einer einzigen, schnellen Bewegung seiner Hände den Tisch zur Seite, der laut krachend gegen die Wand knallte. Endlich reagierte Pan, jäh aus seiner Erinnerung gerissen. Schützend schirmte er mit seinen Armen seinen Kopf von den Fausthieben des Polizisten ab. Wie hatte er nur so schnell so wütend werden können? Doch Pan hatte keine Zeit mehr darüber nachzudenken, als der Mann ihn Richtung Boden beförderte und ihn mi Fußtritten bearbeitete. Ein Schrei explodierte in Pans Kehle und der Plozist stellte zufrieden fest, dass er dem kleinen Bastard zu seinen Füßen Schmerzen bereitete. Ein Gefühl der Befriedigung wogte wie eine Welle über seinen Körper und wusch die Wut weg.

Plötzlich schlug die Tür des Kellerraums krachend aufund Hände zerrten Ward Preston von dem Körper weg. "Beruhigen Sie sich!", brüllte jemand ihm ins Ohr und er wurde aus dem Raum bugsiert.

Ein dünnes Rinnsal von Blut bahnte sich zwischen den Beinen im Raum hindurch. Beine, die überstürzt aus den Raum liefen, deren Besitzer schnell den Rettungsdienst verständigten.

***

Weißes Licht bahnte sich einen Weg zwischen seine Wimpern in seine Augen und Pan öffnete sie. Umrisse wurden scharf, verschwammen wieder. Es waren Umrisse von einer Frau, von einer Krankenschwester, doch sie verschwand wieder aus seinem Blickfeld, holte schnell den Arzt. Und dann kam auch wieder das Gefühl in seinen Körper zurück. Es kam mit dem Schmerz. Er schrie. Sie hatten ihm zu wenig Schmerzmittel gegeben. Nach einer Ewigkeit, wie es ihm vorkam, in den Abgründen des menschlichen Empfindens, spürte er Hände, die ihn in sein Kissen drückten, Hände die dem Schmerz ein Ende nahmen. Aber so langsam, so quälend langsam. Dann versank er wieder im Vergessen, das er begrüßte wie einen alten Freund. 
***

Wie viele Tode konnte man sterben? Wann war es nicht mehr auszuhalten? Was kam dann? Die Hölle? Auf ihn wartete seine ganz persönliche Hölle, da war er sich sicher.

***

Er vernahm ein monotones Piepen, als er endlich wieder sein Bewusstsein erlangte. Und es nervte ihn wahnsinnig. Er streifte die  dicke, sichere Hülle des Schlafs ab und stellte fest, das er sich in einem weißen Raum befand. Aber er war nicht allein.  
"Wie geht es dir?", wollte der Arzt wissen.
"Blendend", erwiderte er, seine Stimme kratzte unsanft in seiner Kehle. "Du brauchst viel Ruhe, du hast vier gebrochene Rippen und außerdem ein Schädelhirntrauma. Aber du bist schon über den Berg. Wir hatten nicht erwartet, dass du so früh aus dem Koma aufwachen würdest.", Pan nickte kurz und knapp und bestätigte so dem Arzt, dass er verstanden hatte. Er schloss die Augen. Wieso konnte er nicht einfach sterben, hat er nicht schon für all seine bösen Taten bezahlt?, fragte er sich, doch das konnte nur allein sein Schicksal wissen.

Und die Monate flogen so dahin, kaum greifbar in der schwindenden Zeit, er konnte nun wieder selbst essen. Sein Selbstwertgefühl steigerte sich allmählich, dann gewöhnte er sich nach so langer Zeit wieder daran zu laufen. Und er überlebte auch noch die anstehende Gerichtsverhandlung. Er bekam Strafminderung aufgrund der Zeit, die er bei diesem Polizisten durchmachen musste, das Gericht einigte sich letztendlich auf ein Jahr in der Jugendstrafanstalt.
So verging auch dieses Jahr, doch Pan wusste, dass sein Leben nie wieder wie zuvor sein würde.

{Day}

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